Sofortprg. Verkehrsberuhigung – Antworten auf die Berichterstattung in der NP Coburg

Antwort auf den Artikel in der Presse 

Die Coburger Tagespresse hat über unser Sofortprogramm Verkehrsberuhigung berichtet, dankenswerter Weise sogar recht ausführlich. Die nebenstehende Berichterstattung aus der Neuen Press war aus unserer Sicht allerdings sehr einseitig ablehnend ausgerichtet und lässt praktisch nur Gegner*innen der von uns vorgeschlagenen Maßnahmen zu Wort kommen. Deshalb haben Helena Lakemann und Steffi Rohdenburg sich hier mit den Kritikpunkten und den dazugehörigen Fakten befasst:

Eine verkehrsberuhigte Innenstadt ist ein Thema, welches polarisiert. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist nachhaltige Stadtentwicklung eine zwingende Notwendigkeit, um gerade im Zuge der Klimakrise eine Stadt so zu gestalten, dass sie sich nicht zu stark aufheizt. Emissionen müssen nachhaltig gesenkt werden, um Klimaneutralität zu erzielen. Nicht nur Hitze ist ein großes Gesundheitsrisiko, wie die über 15.000 Hitzetoten in Europa im Sommer 2022 fatalerweise aufzeigen, sondern auch die Lärm- und Feinstaubbelastung. Trotzdem besteht in breiten Teilen der Stadtbevölkerung eine Grundskepsis, die sich oftmals auf Vorurteilen begründen. 

Die Ansicht, dass nur in Großstädten nachhaltige Stadtentwicklung möglich ist, hält sich hartnäckig. Gerade Zitate wie “Coburg ist keine Millionenmetropole” befeuert dieses Vorurteil.  

 Eine verkehrsberuhigte Innenstadt ist nicht von den Einwohner*innenzahlen abhängig. Dies zeigt auch das Beispiel Pontevedra aus unserem Konzeptentwurf. Nachhaltige Stadtentwicklung sollte besonders vulnerable Gruppen im Fokus haben und ihre Heimat attraktiv und lebenswert gestalten. Gerade klimagerechter Städtebau ist zum Einhalten des 1,5 Grad Ziels entscheidend. Da ist nicht die Größe der Stadt ausschlaggebend, sondern die allgemeine Reduktion der Emissionen. Denn jede*r sollte einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das fängt oftmals im Kleinen an. Und wo sind die Voraussetzungen besser, als in einer der reichsten Städte Deutschlands, mit einem städtischen Werk (SÜC) und der Hochschule als Innovationsstandort? 

Dass Innenstädte durch die unmittelbare Erreichbarkeit mit dem motorisierten Individualverkehr attraktiver sind, ist wissenschaftlich schon längst widerlegt. Zahlreiche Studien zeigen auf, dass Menschen in verkehrsberuhigten Bereichen mehr Geld ausgeben und länger verweilen. Erhebungen der städtischen Mobilität weisen zusätzlich darauf hin, dass 80% des Umsatzes vom lokalen Einzelhandel nicht von Autofahrern stammt, sondern von Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn. Das Argument von Kreishandwerksmeister Jens Beland ist somit gegenstandslos. Es gibt keine bekannten Beispiele, dass der Einzelhandel Verluste erfährt, wenn Alternativen zum Auto verstärkt gefördert werden. Das Gegenteilige ist der Fall: Eine verkehrsberuhigte Innenstadt sorgt für mehr Aufenthaltsqualität und Kaufkraft.  

Eine verkehrsberuhigte Innenstadt mit einer vom Lockdown betroffenen Innenstadt zu vergleichen ist unsachlich, falsch und soll wohl bewusst die Leser*innen erschrecken und manipulieren. Wer ein Bekleidungsgeschäft aufsucht, bringt normalerweise Zeit mit und ist im fußnah gelegenen Parkhaus am Albertsplatz besser aufgehoben als auf einem Kurzzeitparkplatz. “Wir müssen agil und lebendig bleiben” ist Frau Franz’ Zitat in einem Zeitungsbericht der Neuen Presse vom November. Und genau darum geht es: Lebensqualität in der Innenstadt wird erreicht mit einer Oberflächenentsiegelung, mehr Grünflächen, Aufenthaltsmöglichkeiten unter schattenspendenden Bäumen vor Eisdielen in einer weniger überhitzten Innenstadt. Eine Nutzung der Wege durch Fußgänger*innen und Radfahrende und nicht das Nadelöhr für PKWs mit Lärm und Abgasen, das Ketschengasse und Zinkenwehr momentan sind, würden erreicht, wenn Besucher*innen und Kund*innen direkt die Parkhäuser ansteuern würden. “Der Sommer 2022 war der Viertwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Die im Epidemiologischen Bulletin 42/2022 veröffentlichte Analyse des Mortalitätsverlaufs über die Kalenderwochen 15 bis 36 ergibt eine hitzebedingte Übersterblichkeit von rund 4.500 Sterbefällen.” schreibt das Robert Koch Institut auf seiner Homepage. Um agil und lebendig zu bleiben, müssen wir also etwas ändern.  

Zudem besteht das Narrativ, das Sofortprogramm wolle Autos rigoros aus der Innenstadt verbannen. Die Leichtigkeit, mit der Menschen die Stadt betreten können, um zu arbeiten, einzukaufen und vielfältige Wege zu erledigen, sei ein wichtiges Kennzeichen städtischer Lebensqualität.  

Genau für diese Leichtigkeit stehen in Coburg fünf Parkhäuser/-flächen zur Verfügung, die Menschen sind also nicht eingeschränkt. Lediglich Personen mit Beeinträchtigung sind auf die unmittelbare Erreichbarkeit von beispielsweise medizinischen Einrichtungen angewiesen, welche selbstverständlich ausgewiesene Stellplätze und jegliche Hilfestellung für eine barrierefreie Stadt erhalten. 

Allerdings sollte auch die Leichtigkeit betrachtet werden, mit der sich Menschen innerhalb der Stadt fortbewegen. Menschen, die in der Stadt leben und sich tagtäglich aufhalten. Welchen Gewinn brächte eine verkehrsberuhigte Innenstadt für unsere Kinder und die vielen Schulkinder, die sich durch die Straßen der Innenstadt zu ihren Kitas, Kindergärten und Schulen bewegen. Und welche schnell umsetzbaren und günstigen Vorschläge haben CSU Ortsverbände und Fraktion, um sich entsprechend ihrer Verantwortung gegenüber den Coburger Mitbürger*innen für die Einhaltung des 1,5 °C Zieles einzusetzen. Der ADAC informiert uns, dass der Park-Such-Verkehr 30 bis 40 % des innerstädtischen Verkehrs ausmacht. Dann hätte nicht nur “der PKW dank neuer Technologien in Deutschland eine blühende Zukunft”(CSU Pressemitteilung), sondern unsere Kinder wären in der Innenstadt sicher und hätten mit Hilfe zusätzlicher emissionssparender Veränderungen mehr Chancen auf eine Zukunft. An wessen Bedürfnis geht das Sofortprogramm also vorbei? 

Der Status quo ist keine Alternative mehr. Um unsere Städte lebenswert zu gestalten und zu erhalten, benötigen wir innovative Konzepte.  

 

 

 

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