Das gemeinsame Statement von Hans-Herbert Hartan, CSU, und Norbert Tessmer, SPD, zur Umbenennung der Von-Schultes-Straße in die Max-BroseStraße kann man nicht unkommentiert stehen lassen, denn eben dieses Statement dient der Legendenbildung einer von den Wünschen eines reichen und einflussreichen Firmeninhabers unabhängigen Kommunalpolitik.
Michael Stoschek wollte sehr wohl eine Max-Brose-Straße in Coburg! Dass dieses im ersten Anlauf 2004 im Coburger Stadtrat keine Mehrheit fand, war einer der Gründe für den „Liebesentzug“ und das stark abgekühlte Verhältnis zwischen Stoschek und der Stadtspitze. Eine Straße ausgerechnet in Coburg nach dem Firmengründer zu benennen, der bereits während der Weimarer Republik mindestens mit den Nazis stark sympathisierte, ab 1933 Mitglied der NSDAP wurde, vom Reichswirtschaftsministerium 1935 zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer zu Coburg ernannt wurde und 1938 den Ehrentitel Wehrwirtschaftsführer führen durfte, hat Brisanz. Denn in Coburg waren die Nationalsozialisten schon sehr früh aktiv und erfolgreich: Man denke an den „Deutschen Tag“ 1922, bei dem Hitler und seine SA-Schlägertruppe deutschlandweit auf sich aufmerksam machten, die Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe 1923, die von Anfang an mit antisemitischer Hetze die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger unter Druck setzte, eine braune Stadtratsmehrheit schon ab 23. Juni 1929 und die Hakenkreuzfahne am Coburger Rathaus ab Januar 1931. Noch im selben Jahr wurde einer der übelsten Nazi-Agitatoren, Franz Schwede, Erster Bürgermeister der Stadt Coburg, also deutlich vor der nationalsozialistischen Machtergreifung und dem Ende der Weimarer Republik im Januar 1933. Coburg war also „Voraus zur Unzeit“, wie eine gleichlautende Ausstellung 2004 diese Entwicklung titulierte. Da wäre viel Sensibilität in Sachen Nationalsozialismus mehr als angebracht gewesen!
Nun ist in der Vergangenheit die Coburger CSU nicht unbedingt mit einem starken Willen zur Vergangenheitsbewältigung aufgefallen, was die unrühmliche Nazizeit angeht. Da hatte man zum Beispiel schon Probleme mit der Befestigung einer Erinnerungstafel an die frühere „Prügelstube“, in der von März bis April 1933 die Coburger Nazis politisch Andersdenkende und Juden folterten, oder man schickte in einer Stadtratssitzung die Jungen Coburger vor, um auf eine geschichtliche Aufarbeitung der Coburger Geschichte vor und während der nationalsozialistischen Zeit aus Gründen der Haushaltskonsolidierung zu verzichten.
Das starke Entgegenkommen von Norbert Tessmer in Richtung Michael Stoschek und ein damit verbundenes Ausblenden historischer Fakten, was die Person Max Brose angeht, kann man nur noch durch sein ausgeprägtes Bedürfnis nach Konsens und Harmonie erklären. Für manche mag das schon ein Verrat an den Opfern des Nazi-Terrors in den Reihen der Coburger SPD sein. Norbert Tessmer hätte lieber das Buch „Die Coburger Juden“ von Hubert Fromm als die in der Fachwelt massiv kritisierte Abhandlung „Brose: Ein deutsches Familienunternehmen“ von Gregor Schöllgen lesen sollen.
Abraham Friedmann, ein prominentes Coburger Opfer des nationalsozialistischen Unrechts, von dessen Enteignung Max Brose direkt profitierte, hätte mehr Achtung durch die Benennung einer Straße verdient.
Vorstand und Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen Coburg-Stadt