Eine Einordnung der politischen Hintergründe rund um Lützerath von Johannes Wagner, einem jungen Abgeordneten, der selbst viel mit der Klimabewegung auf der Straße war:
“Deutschland war nie auf dem 1,5-Grad-Kurs. Der Ausbau erneuerbarer Energien – die zwingende Voraussetzung für die Energiewende – wurde und wird blockiert. Durch aktive Politik wurden wir von russischem Gas abhängig. Noch 2020 wurde ein Kohleausstiegsgesetz beschlossen, das einen Ausstieg bis zum Jahr 2038 vorsah. Aus dem Tagebau Garzweiler sollten nach damaligen Plänen weitere 560 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden. Sechs weitere Dörfer sollten den Kohlebaggern zum Opfer fallen, hunderte Menschen umgesiedelt werden.
Nach den Wahlen in Bund und der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wurde nun neu verhandelt und ein Kompromiss gefunden, der schmerzhaft ist. Er geht natürlich nicht weit genug, stellt aber gleichzeitig eine klare Verbesserung des alten Status Quo dar. Das Unternehmen RWE darf nur halb so viel Kohle fördern, wie ursprünglich zugesagt. Fünf von sechs Dörfern konnten gerettet werden. Der Kohleausstieg im Westen Deutschlands wird auf 2030 vorgezogen. Das sind Erfolge, die es ohne uns Grüne nicht gegeben hätte.
Gleichzeitig teile ich die Frustration und Verzweiflung der Menschen, die sich für die Rettung von Lützerath und für radikalen Klimaschutz einsetzen. Denn nichts ist radikaler, als eine eskalierende Klimakrise. Und auch wenn wir die Energiewende mit den Erneuerbaren-Energien-Gesetzen deutlich beschleunigen, passiert insgesamt noch viel zu wenig. Das gilt für den Verkehrssektor, genauso wie für den Bau- und Finanzsektor und auch für den Ernährungsbereich. Wir brauchen mehr Erneuerbare, weniger Autos, müssen unsere Ernährungsweise ändern und müssen im Baubereich weg vom “immer mehr” hin zu klugen Wohnkonzepten und zur ausschließlichen Verwendung nachhaltiger Baustoffe. Und wir müssen grundsätzlich über Wachstum sprechen. Unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten kann es nicht geben.
Dafür gibt es leider noch keine gesellschaftlichen Mehrheiten. Trotzdem haben wir mit unseren 14,8 % auf Bundesebene schon sehr viel erreicht und wir werden nicht aufhören, weiter mit aller Kraft für eine gerechte, klimaneutrale Welt zu kämpfen.”