Ende April kommt unweigerlich der Tag des Abschieds: Die letzten beiden Äpfel der Sorte Boskoop, geerntet vor sechs Monaten im Garten der Nachbarn, kommen auf den Esstisch. Ich habe schon einige Zeit geahnt, dass dieser Tag kommen wird, denn die Obstbäume sind schon samt und sonders in die Blüte gegangen und der Rhabarber bald reif - das neue Erntejahr im Hausgarten beginnt und der Kreislauf schließt sich. Auch wenn die beiden keine Schönheiten mehr sind, haben sie viele innere Vorzüge:
1. Die CO2-Bilanz dieser Äpfel ist eindeutig negativ, denn das Lagern geschah in einer lange nicht mehr genutzten Lager-Einrichtung im Garten. Die Großelterngeneration wusste und nutzte das noch.
2. Die Äpfel sind ohne Pestizide gewachsen und haben keine einzige Biene auf dem Gewissen. Stattdessen haben sie eine Generation von Bestäuberinnen ernährt.
3. Die Kerngehäuse wandern nach dem Essen – gemeinsam mit den Äpfeln, die das Lagern nicht geschafft haben, auf den Kompost und werden wieder zu Erde, die - verrottet und unter den Bäumen
ausgebracht - neue Äpfel hervorbringt.
Wann ist dieses einfache und kostengünstige Wissen euch Menschen verloren gegangen? Diese zwei Äpfel sind ein Symbol für die fortschreitende Entfremdung von der natürlichen Umwelt. Statt Dinge, die natürlich wachsen, zu bewahren, zu lagern und sich von ihnen zu ernähren, baut der moderne Mensch unkontrolliert Ressourcen ab und sorgt nicht für eine Regeneration. Und warum? Weil es zu einfach ist: Wer muss sich schon damit auseinandersetzen, wie man einen Apfel richtig lagert, wenn man rund um die Uhr immer Äpfel aus der ganzen Welt so viel einfacher erhält? Die Krux an der Sache ist, dass mensch die Kosten dieser Bequemlichkeit, welche durch die langen Lieferketten und Transportwege entstehen, nicht mitbezahlen und sie somit auf unser gemeinsames Ökosystem umlagern. Dass die Ressourcen jedoch endlich sind und es langfristig sehr teuer werden wird, die reversiblen Schäden zu „reparieren“ und die irreversiblen auszugleichen, vergisst man da schnell. Dabei ginge es auch einfacher, wie diese Äpfel zeigen: regional, ressourcenschonend, unverändert, pestizidfrei, energiefrei.
Und diese unmittelbare Erfahrung, wie Lebensmittel entstehen, schafft eine Verbindung: Man sieht im Frühjahr die Bäume blühen, sieht die Bienen bei der Bestäubung, die Äpfel heranwachsen,
erntet diese im Herbst schließlich und bereitet diese zum Verzehr auf, indem man sie einkocht oder einlagert. Das konnten schon die Großeltern und die
hatten noch kein Internet, das man fragen konnte. Weggeworfen wurde damals übrigens nur, was wirklich kaputt kaputt war. Eine schlechte Stelle wurde weggeschnitten.
Die Veränderung, die unser Ökosystem und darin wir Lebewesen und ihr Menschen jetzt so dringend benötigt, heißt nicht zwingend Fortschritt, sondern vielmehr Rückbesinnung zu einem Leben im Einklang mit der Natur – nicht gegen sie.
Und das beginnt mit dem Apfel.
Denn dieser ist greifbar, an ihm kann man lernen, altes, so wertvolles Wissen wieder zu reaktivieren und das, was die Natur so verschwenderisch produziert, wertzuschätzen. Ab morgen gibt es übrigens Rhabarber, dann folgen die Johannisbeeren und die Erdbeeren!
Biene Berta bloggt: Idee und Text Petra Wöhner